Niedersächsisches Landvolk Kreisverband Rotenburg-Verden e.V.

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Do, 25.08.2022

Landvolk setzt sich für Änderungen der EU-Pläne zur Pflanzenschutzmittelreduktion ein

Landwirtinnen und Landwirte sind aufgerufen, sich bei EU-Konsultation einzubringen

Die EU-Kommission will mit einer am 22. Juni 2022 vorgeschlagenen „Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“ ihren Green Deal und Farm-to-Fork-Strategie umsetzten und den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln EU-weit drastisch reduzieren.

Konkret sind zwei Reduktionsziele angestrebt, die auf EU-Ebene erreicht werden sollen:

  1. Eine Halbierung des Einsatzes und Risikos chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2017, sowie
  2. eine Halbierung des Einsatzes gefährlicher Pflanzenschutzmittel wie der sogenannten Substitutionskandidaten bis 2030 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahr 2015 bis 2017.

Jeder Mitgliedsstaat hat hierzu seinen Beitrag zu leisten und im nationalen Recht Reduktionsziele zu verankern, die je nach bereits erfolgter Reduktion zum Vergleichszeitraum 2011 bis 2013 und derzeitiger Intensität im EU-Vergleich höher oder niedriger ausfallen können als das 50 Prozent-Reduktionsziel der EU. Abschätzungen der jeweiligen Minderungsziele der Mitgliedstaaten hat die Kommission für den Herbst 2022 angekündigt, für Deutschland steht ein Reduktionsziel von 55 Prozent im Raum. Die Fortschritte der Mitgliedsstaaten sollen jährlich anhand der in Verkehr gebrachten Pflanzenschutzmittel überprüft werden.

Für die Anwenderinnen und Anwender chemischer Pflanzenschutzmittel hält die Verordnung ebenfalls zahlreiche verschärfte Vorgaben gegenüber der bisher geltenden Pflanzenschutzrichtlinie bereit:

  1. Jährliche Pflichtberatung durch einen unabhängigen Berater zu Themen des integrierten Pflanzenschutzes, Verwendung nicht-chemischer Methoden und Maßnahmen zur Risikominimierung des PSM-Einsatzes auf die Umwelt u.v.m. Die zuständigen nationalen Behörden sind dazu angehalten, das Schulungsangebot für Anwender, Verkäufer und Berater deutlich auszubauen. Zur Finanzierung dieses umfangreichen Beratungssystems können die Mitgliedsstaaten Gebühren und Abgaben einführen.
  2. Pflanzenschutzmittel-Anwendungsgeräte müssen elektronisch registriert werden. Über das Register werden Eigentum, Eigentumsübertragung, Verkauf, Außerbetriebnahmen, Wiederinbetriebnahme, Inspektion und Kontrolle dokumentiert.
  3. Pflicht zur elektronischen Dokumentation des Pflanzenschutzmitteleinsatzes unter besonderer Beachtens der Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes, d.h. alle Präventivmaßnahmen (Fruchtfolge, Sortenwahl etc.) und sonstige Maßnahmen (z.B. mechanische Bekämpfung) sowie Gründe für die Umsetzung bzw. Nicht-Umsetzung, Name des Beraters sowie Daten und Inhalt der erhaltenen Beratung, sowie jede Anwendung eines Pflanzenschutzmittels mit allen dazugehörenden Daten (Schadorganismus, Schadschwellen etc.) müssen eingetragen werden. Die Behörden haben darauf Zugriff und nutzen die Angaben zur Analyse und zwecks Berichtspflicht gegenüber der EU-Kommission bzgl. der oben genannten Minderungsziele.
  4. Die Verwendung jeglicher Pflanzenschutzmittel wird in einem Pufferstreifen von drei Metern entlang aller Oberflächengewässer und in allen „empfindlichen Gebieten“ verboten. Als empfindliche Gebiete gelten nicht nur Flächen für die Allgemeinheit, wie Parks, Sportplätze oder Siedlungsbereiche, sondern auch so genannte „ökologisch“ empfindliche Gebiete. Dazu zählen gemäß des Verordnungsentwurfs alle Natura 2000-Gebiete, d.h. europäische Vogelschutz- und FFH-Gebiete, und alle weiteren naturschutzrechtlichen Schutzgebiete, die von den Mitgliedsstaaten der EU-Kommission gemeldet wurden. Für Deutschland trifft dies nach derzeitigem Stand auf nahezu alle Biosphärenreservate, Nationalparke, Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete zu. Weiterhin werden auch Schutzgebiete gemäß Wasserrahmenrichtlinie und Trinkwasserrichtlinie als „ökologisch empfindlich“ angesehen, d.h. es ist zu befürchten, dass sich das Pflanzenschutzmittelverbot auch auf Trinkwassergewinnungsgebiete, Trinkwasserschutzgebiete, Heilquellenschutzgebiete und ggf. sogar Grundwasserkörper mit einer täglichen Entnahme von mehr als 10 Kubikmetern zur menschlichen Wasserversorgung und die „Roten Gebiete“ nach §13a Düngeverordnung erstrecken könnte. Weiterhin soll der PSM-Einsatz auch in bisher nicht präzise definierten „Bestäubergebieten“ verboten werden. Behördliche Ausnahmen vom Anwendungsverbot können nur befristet und sofern es sich beim zu bekämpfenden Schadorganismus um einen Quarantäneschädlich oder eine invasive gebietsfremde Art handelt, und es keine technisch machbare alternative Bekämpfungsmethode gibt, erteilt werden. Sollten solche Ausnahmen erteilt werden, sind diese überdies öffentlich bekannt zu machen, mit allen relevanten Details (u.a. Anwendungsort, verwendetes Mittel).

Die Kommission räumt den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, den Betroffenen für die Erschwernisse, insbesondere die sich aus den Verboten ergeben, eine auf maximal fünf Jahre begrenzte finanzielle Unterstützung im Rahmen der EU-Agrarförderung zu gewähren.

Der Verordnungsentwurf geht nun den Gang des ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der EU, d.h. sowohl Parlament als auch Mitgliedsstaaten in Form des Ministerrats müssen sich zu dem Verordnungsentwurf positionieren. Dafür werden zunächst im parlamentarischen Verfahren, d.h. insbesondere in den einzubeziehenden Ausschüssen und im Ministerrat Stellungnahmen erarbeitet, um diese dann ggf. unter Vermittlung der EU-Kommission in Form des Trilogs in einen gemeinsamen, geeinten Verordnungstext münden zu lassen. Gelingt dies nicht, ist grundsätzlich auch ein (vorläufiges) Scheitern des Kommissionsvorschlags möglich. Das EU-Parlament selbst hat allerdings schon 2019 eine Überarbeitung der Pflanzenschutzrichtlinie und unverzügliche Maßnahmen zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln eingefordert und auch die Farm-to-Fork-Strategie mitsamt der Halbierungsziele im Pflanzenschutz als Grundlage des Verordnungsentwurf bestätigt. Trotzdem sind zähe Verhandlungen zu erwarten, die sich bis weit in das Jahr 2023 und ggf. auch noch 2024 hinziehen dürften.

Der Vorschlag der Kommission einer „Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“ kann im Rahmen einer öffentlichen Konsultation bis zum 19. September von Jedermann kommentiert werden. Die eingegangenen Rückmeldungen werden nach Fristende von der Europäischen Kommission zusammengefasst und dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt, um in die Gesetzgebungsdebatte einfließen zu können. Alle Landwirtinnen und Landwirte sind aufgerufen, sich an der Konsultation zu beteiligen und damit Kommission, Rat und Parlament deutlich zu machen, dass die Pflanzenschutzreduktionspläne in dieser Form für den Berufsstand und die Gesellschaft nicht hinnehmbar sind. Unsere Kreisverbände geben Ihnen dabei gerne Hilfestellung.

Hier geht zur Konsultation

Zur Abgabe einer Stellungnahe ist eine vorherige einmalige Registrierung notwendig. Dafür braucht es nur eine E-Mailadresse.

Das Einbringen inhaltlich identischer Musterschreiben ist nicht zielführend. Vielmehr ist es für den weiteren Prozess wichtig, dass Kritik und Forderungen möglichst individuell vorgetragen werden. Bringen sie daher in Ihre Argumentation möglichst viel an betrieblicher und regionaler Betroffenheit und konkrete Beispiele ein. Hierfür einige Aspekte die Sie dabei aufgreifen können:

Zum Abschluss noch zwei Anmerkungen, die uns wichtig erscheinen:

Auch wenn die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen von vielen als „Zwangsökologisierung“ angesehen werden, ist es nicht hilfreich, in der Konsultation den Ökolandbau zu kritisieren. Auch die ökologisch wirtschaftenden Betriebe sind in den Schutzgebieten nicht unerheblich betroffen und eine Spaltung des Berufsstandes ist absolut kontraproduktiv. Sprechen Sie daher bitte besser von „Zwangsextensivierung“.

Weiterhin ist uns klar, dass es Zeit kostet, sich an den PC zu setzen und etwas ausführlicher zu beschreiben wie die Auswirkungen auf den einzelnen Betrieb sind. Aber wir haben umso größere Chancen auf eine Änderung der Verordnung je größer der Zahl derer ist, die auf diesem Wege auch der Öffentlichkeit klar machen, dass es hier um betriebliche und persönliche Existenzen geht.

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